Am Anfang ist der Gedanke |
Die meisten Menschen scheinen zu glauben, dass Gedanken fl�chtig sind wie Schall und Rauch sonst w�rden sie nicht so achtlos mit ihnen umgehen. Kaum jemand bemerkt, welch ein �Gedankentheater� in seinem Kopf tobt. Szene reiht sich an Szene, Gedanke an Gedanke, selten entsteht eine Pause von mehr als ein paar Sekunden. Oft sind wir in Gedanken �ganz woanders�: Wer auf den Bus wartet, denkt an die Arbeit, wer sich am Arbeitsplatz befindet, tr�umt von der Geliebten, und wer in den Armen seiner Geliebten versinkt, erinnert sich an Bilder vom letzten Urlaub. Zehn bis zwanzigtausend Gedanken huschen einem t�glich durch den Kopf und 99 Prozent davon sind Schrott. Sie sind fl�chtig, so meinen wir, uninteressant und ohne Wirkung. Doch das Gegenteil ist wahr. Gedanken so immateriell sie sind haben die Kraft, die Realit�t zu ver�ndern. Nicht nur unseren K�rper und unsere Handlungen, sondern auch das Leben anderer Menschen und vielleicht sogar die physische Welt, die uns umgibt. Was ist das Geheimnis der Gedankenkraft? In der Psychologie ist ihre Macht unbestritten: Nat�rlich haben unsere Ideen und Vorstellungen einen entscheidenden Einfluss auf unser eigenes Leben. Wie soll jemand gl�cklich sein, der depressive Gedanken hegt? Wie soll sich jemand mit Kollegen verstehen, �ber die er Schlechtes denkt? Wie soll jemand mutig sein, der seinen Geist auf die Gefahren des Lebens fokussiert? Selbst einfachste Herausforderungen k�nnen durch falsche Gedanken zu un�berwindlichen Hindernissen anwachsen. Jeder Bergsteiger kann das erproben, wenn er �ber einen schmalen Pfad am Abgrund entlangl�uft: L�sst er seinen Gedanken freien Lauf, l�sst sie ausmalen, wie ein Fehltritt zum Absturz f�hrt, wie er �ber die Kante des Pfades rutscht, wie sein Schrei von den Bergen widerhallt, wie er mit dem Kopf gegen einen hervorstehenden Felsen kracht, wie er dann blut�berstr�mt weitertrudelt, bis er unten zwischen den Steinen aufschl�gt dann hat er bereits verloren. Die Angst ist da! Die Beine zittern, der Blick wird fahrig, die H�nde schwei�nass. Weitergehen wird wirklich gef�hrlich. Ist derselbe Bergsteiger dagegen in der Lage, seine Gedanken zu z�geln und nur an das Gelingen zu denken, an den sicheren Stand der F��e, den festen Griff der H�nde, die Unersch�tterlichkeit des Gleichgewichts so kann er m�helos weiterlaufen. Es ist dann nicht schwieriger, als zu ebener Erde spazieren zu gehen. Das Geheimnis der Schwindelfreiheit liegt in der Z�hmung der Gedanken. Doch Gedanken k�nnen nicht nur H�rden vor einfachen Situationen errichten, sie k�nnen im umgekehrten Fall auch Auswege aus unertr�glicher Lage weisen. Im Extrem zeigt dies die Geschichte von �Wild Bill�: Zu Beginn des Krieges geriet er in ein Konzentrationslager bei Wuppertal. Sechs Jahre verbrachte er dort, lebte unterern�hrt in stickigen, krankheitsdurchseuchten Baracken mit Hunderten anderen Gefangenen zusammen und unterschied sich doch total von ihnen. Er zeigte nicht den geringsten geistigen oder k�rperlichen Verfall, und obwohl er 15 bis 16 Stunden am Tag arbeitete, schien er an Kraft sogar zu gewinnen. F�r die Mitgefangenen war er eine wichtige St�tze, er vermittelte bei Konflikten und pl�dierte f�r die Vergebung der Nazi-Gr�uel. Seine St�rke entsprang einem Entschluss nach einem traumatischen Erlebnis. Vor seiner Inhaftierung hatte er n�mlich im Warschauer Getto gelebt, bis eines Morgens die Deutschen kamen: Sie stellten seine Frau und f�nf Kinder vor eine Wand und erschossen sie. Er flehte darum, mit seiner Familie sterben zu d�rfen, aber weil er Deutsch konnte, nahmen ihn die Soldaten lebend mit. �Damals musste ich mich entscheiden, ob ich die Soldaten hassen sollte, die es getan haben�, erkl�rte er sp�ter. �Im Grunde war es eine leichte Entscheidung. Ich war Rechtsanwalt. Ich hatte in meiner Kanzlei schon oft miterlebt, was Hass dem Geist und dem K�rper der Menschen antun kann. Hass hatte auch die sechs Menschen get�tet, die mir am meisten auf der Welt bedeuteten. Damals beschloss ich, dass ich den Rest meines Lebens ob es nun ein paar Tage oder viele Jahre sein w�rden jeden Menschen, mit dem ich zu tun hatte, lieben w�rde.� Er hatte erkannt, was die wenigsten Menschen erkennen: dass es die eigene Entscheidung ist, zu hassen oder nicht. Hass aber kostet Kraft: Zum �u�eren Schrecken addiert er einen inneren Schrecken und verschlimmert damit die Lage. Die Liebe dagegen verlieh ihm St�rke: Sie erm�glichte es ihm, aufbauende Situationen und Begegnungen zu erleben mitten in der unertr�glichen Realit�t des Konzentrationslagers. Auf einer weniger extremen Form derselben Kraft basieren die vielen Ratgeber zum positiven Denken. Ihr Grundsatz lautet: Wer ein gutes Leben haben, will, muss bei seinen Gedanken anfangen. Manche bringen es gar auf die plakative Formel: Wer sich t�glich sagt, dass er sch�n und erfolgreich ist, wird wirklich sch�n und erfolgreich werden. Auch wenn das stark vereinfacht ist, bleibt es doch einleuchtend, dass Gedanken das eigene Handeln beeinflussen und damit indirekt das Handeln der Menschen, die mit einem zu tun haben. Doch ist das die einzige Wirkung der Gedanken? Wirken sie auf andere Menschen stets indirekt, �ber den Umweg des eigenen Verhaltens? Oder gibt es einen Einfluss, ohne dass man mit den Menschen spricht, sie ansieht oder sonst wie mit ihnen in Kontakt kommt? Viele sind �berzeugt, dass dieser Einfluss existiert, und k�nnen zum Beweis Geschichten erz�hlen: Wie sie von ihrem Gro�vater genau in jener Nacht getr�umt haben, als er gestorben ist, wie sie nach Jahren erstmals an einen Freund dachten, und just in diesem Moment rief er an; oder sie berichten von unglaublichen �Zuf�llen�, wie jener K�lner Schreinergeselle, der sich entschlossen hatte, die Kraft der Gedanken selbst zu testen. Zu diesem Zweck w�nschte er sich etwas, was ihm hinreichend unwahrscheinlich erschien: nur ein einziges Mal 1000 Mark Trinkgeld f�r seine Arbeit zu bekommen. Kurz nachdem er den Wunsch gen Himmel geschickt hatte, montierten er und seine Mitgesellen bei einem reichen Gesch�ftsmann eine B�roeinrichtung. Dieser war von ihrem Eifer angetan, und mit g�nnerhafter Geste z�ckte er sein Portmonee und �berreichte den Handwerkern das Trinkgeld: einen Tausendmarkschein. Wer von den Gesellen dar�ber am meisten erstaunt war, ist nicht �berliefert. Doch so �berzeugend solche Geschichten wirken: Wissenschaftlich gesehen sind sie kein Beweis. Alles M�gliche k�nnte die seltsamen Ereignisse erkl�ren und au�erdem wissen wir nichts �ber die vielen anderen Schreinergesellen, die sich vergeblich einen Tausendmarkschein gew�nscht haben. Deshalb versuchen einige Forscher, die Kraft der Gedanken mit wissenschaftlicher Zuverl�ssigkeit zu untersuchen und f�rdern dabei �berraschendes zu Tage: So besch�ftigte sich der s�dkoreanische Gyn�kologe Kwang Cha mit der Frage, ob Frauen nach einer k�nstlichen Befruchtung leichter schwanger werden, wenn andere Menschen f�r sie beten. 219 Frauen im Alter zwischen 26 und 46 nahmen an der Un�tersuchung teil. Nach dem Zufallsprinzip teilte ein Computer die Teilnehmerinnen in zwei Gruppen ein ohne dass die Zuordnung �rzten oder Patienten bekannt wurde. Christen in Amerika, Kanada und Australien bekamen Bilder der Frauen aus der einen Gruppe zugeschickt und beteten anschlie�end drei Wochen lang immer wieder vor den Fotos. �berraschendes Resultat: Die H�lfte der Frauen, f�r die sie gebetet hatten, wurde schwanger in der Vergleichsgruppe, f�r die nicht gebetet wurde, waren es nur 26 Prozent. �Die Resultate sind hoch signifikant�, sagt der amerikanische Professor Roger Lobo, der an dem Projekt mitgearbeitet hat. �Dennoch haben wir �berlegt, ob wir sie publizieren sollen, da wir die Resultate nicht erkl�ren k�nnen.� Mit ihren Untersuchungen stehen die Forscher aber nicht allein. Andere Studien fanden ebenfalls einen positiven Effekt der F�rbitte-Gebete. Dabei war es unerheblich, welcher Religion die Betenden angeh�rten. Auch die r�umliche Entfernung zwischen Betenden und Kranken scheint keine Rolle zu spielen. Was bedeutet das f�r die Kraft der Gedanken? Sind solche Untersuchungen der wissenschaftliche Beweis f�r die Existenz Gottes? Oder wirken Gebete direkt auf die Erkrankten, quasi ohne Umweg �ber Gott? Oder haben die Forscher aus Ruhmsucht oder Voreingenommenheit ihre Ergebnisse schlicht gef�lscht? Einen direkten Draht von Mensch zu Mensch scheint es jedenfalls zu geben zumindest, wenn man so genannten �Ganzfeld-Experimenten� Glauben schenkt. Bei diesen Forschungen geht es darum, Gedanken�bertragung zwischen zwei Menschen nachzuweisen. Seit �ber 30 Jahren werden solche Versuche durchgef�hrt, und genauso lange wird ihre Beweiskraft von Skeptikern bestritten. Dank des jahrelangen Streits sind die Versuchsbedingungen immer raffinierter geworden, sodass die heutigen Experimente eine Verf�lschung nahe�zu unm�glich machen. An einem typischen Ganzfeld-Experiment nehmen zwei Versuchspersonen teil: Ein �Sender� und ein �Empf�nger�, die sich in voneinander getrennten, schallisolierten R�umen befinden. Der �Sender� bekommt ein Bild vorgelegt und versucht etwa drei�ig Minuten lang, es per Gedankenkraft an den �Empf�nger� zu �bertragen. Der liegt im anderen Raum auf einem bequemen Liegestuhl, die Augen halb geschlossen, in einem Zustand des weitgehenden Reizentzugs (�Ganzfeld�), und berichtet unabl�ssig, welche Gedanken ihm durch den Kopf str�men. Am Ende der drei�ig Minuten muss er aus vier Bildern das�jenige herauspicken, das er glaubt, empfangen zu haben. Gibt es keine Gedankenverbindung, so betr�gt die Wahrscheinlichkeit, das richtige Bild zu w�hlen, 25 Prozent. Tats�chlich ergab sich aber nach etwa 2500 solcher Versuche eine Trefferquote von 33,2 Prozent. Alle denkbaren Betrugs- und Irrtumsm�glichkeiten sind inzwischen ausgeschlossen: Ein Computer w�hlt das zu �bertragende Bild rein zuf�llig aus und pr�sentiert es dem �Sender� am Bildschirm. Ebenso zuf�llig erg�nzt er nach Abschluss der Sendephase drei weitere Bilder und stellt das Quartett dem �Empf�nger� zur Auswahl. Kein Versuchsleiter kann den Ausgang des Experiments manipulieren auch nicht unbewusst. Dennoch verweisen Skeptiker darauf, dass die Ergebnisse noch immer nicht als Beweis zu werten sind. Schlie�lich kann es sein, so f�hren sie an, dass die Ganzfeld-Forscher immer nur die �erfolgreichen� Studien ver�ffentlichen. Sollten aber zu jeder �erfolgreichen� etwa 15 nicht erfolgreiche Studien unter den Tisch gefallen sein, w�ren alle Ergebnisse durch reinen Zufall zu erkl�ren. Doch wenn es keine unterschlagenen Studien gibt? Dann m�ssen wir uns wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass die Menschen durch ein engeres geistiges Band verkn�pft sind, als man allgemein glaubt. Dann ist vielleicht dieses geistige Band der Grund daf�r, dass wichtige Erfindungen oft zeitgleich an verschiedenen Stellen der Erde gemacht werden. Vielleicht ist nicht �die Zeit reif� f�r die Erfindungen, sondern die Erfinder stehen ohne dass sie es bemerken im geistigen Austausch miteinander. Vielleicht geht die Verbindung ja sogar noch weiter. Schon immer vermuten
Philosophen und Denker, dass das Bewusstsein aller Menschen miteinander
verflochten ist. Der Psychoanalytiker C G.
Jung nannte es das �kollektive
Unterbewusste�, der Philosoph Teilhard de Chardin die �Noosph�re�: Neu ist diese These nicht. Im neunzehnten Jahrhundert war es Mode, sich in vornehmen Kreisen zu �bersinnlichen Vorf�hrungen zu treffen. Ein mit �magischen� Kr�ften ausgestattetes Medium setzte die Gesellschaft in Verz�ckung, indem es allein durch �Gedankenkraft� Tische verschob, St�hle r�ckte oder Gegenst�nde zu Boden poltern lie�. Der T�uschung und dem Betrug waren bei solchen Vorf�hrungen allerdings alle Tore ge�ffnet ge�bte Trickzauberer k�nnen solche Effekte m�helos vorf�hren. Erst im Lauf der Zeit wurden die Forschungen seri�ser. Man experimentierte mit Spielw�rfeln und versuchte, den Fall der Zahlen durch Gedanken zu beeinflussen. Ein wenig h�ufiger, als durch reinen Zufall zu vermuten, kam die vorausgesagte Zahl; eine Wirkung der geistigen Kraft schien sich abzuzeichnen auch wenn sie sehr klein war. M�glicherweise beobachtete man jedoch einfach eine mechanische Kraft: Vielleicht lassen sich W�rfel ja mit geschickter Hand gezielt werfen. Deshalb bevorzugen Forscher heute elektronische Zufallsgeneratoren die moderne Version des M�nzwurfs. Aus dem Rauschen eines elektronischen Bauteils erzeugen die Generatoren eine zuf�llige Folge von Nullen und Einsen, von �Kopf� oder �Zahl�, die durch nichts in der Welt zu beeinflussen sein sollte au�er vielleicht durch Gedanken. �berraschenderweise zeigen die Experimente mit den Zufallsgeneratoren dasselbe Ergebnis wie die W�rfel-Versuche: Die gedankliche Absicht des Menschen scheint das Ergebnis zu beeinflussen. Zwar wird nur etwa jeder hundertste elektronische �M�nzwurf� von den Gedanken verf�lscht, aber wegen der gro�en Anzahl an Experimenten kann selbst diese winzige Abweichung nicht auf statistische Schwankungen zur�ckgef�hrt werden. Wenn aber tats�chlich Gedanken Wirkungen auf die Materie haben, dann stellt sich eine ganz andere Frage: Wieso soll ein Zufallsgenerator nur auf �seinen� Menschen reagieren? Vielleicht f�ngt er ja Gedanken von vielen Menschen auf ein Hinweis auf ein kollektives Bewusstsein?
Und die Zufallsgeneratoren? Sie schlugen weit �ber die Linie reiner Zuf�lligkeit (gr�ne Linie, siehe Grafik) hinaus aus. �Die gef�hllosen elektrischen Zufallsgeneratoren�, so folgern die Forscher, �k�nnen anscheinend die Effekte des Hasses sehen, der aus Schmerz und Verzweiflung entstanden ist.� Ihre Instrumente, so glauben sie, haben tats�chlich Spuren des globalen Bewusstseins eingefangen. Unglaublich? Wieso eigentlich! Normalerweise scheint es uns undenkbar, dass etwas Fl�chtiges wie ein Gedanke etwas Festes wie die Materie beeinflussen k�nnte. Dennoch geschieht es vor unser aller Augen st�ndig und in gro�em Umfang. Die Schaltstellen, in denen immaterielle Gedanken in materielle Wirkungen umgewandelt werden, kennen wir genau: Wir selbst sind es! Das R�tsel n�mlich, wie unsere Gedanken sich in Handlungen verwandeln k�nnen, ist auch nach zweitausend Jahren Forschung so ungel�st wie zu Beginn. Nat�rlich k�nnen die heutigen Hirnforscher die Aktivit�t einer einzelnen Nervenzelle messen und sie mit dem Heben des Armes in Verbindung bringen. Aber das Feuern einer Nervenzelle ist selbst ein materielles Ereignis. Das R�tsel verzieht sich nur eine Stufe tiefer ins Gehirn: Wie verwandelt sich der Gedanke �Ich will meinen Arm heben� in das Feuern von Nervenzellen? Offensichtlich k�nnen Gedanken doch Materie beeinflussen. Wenn das so ist, dann keimt ein anderer Verdacht auf. Wie richtig ist dann unser Wissen von der Welt? Wenn tausend Teilchenphysiker in Gro�beschleunigern nach der Struktur der Materie forschen welchen Einfluss auf das Experiment hat dann ihre gesammelte Erwartung? Vielleicht erhalten sie ihre Ergebnisse ja nur, weil sie gemeinsam daran glauben. W�rden andere Physiker anderes messen? Die Welt w�re dann nichts, was au�erhalb von uns existiert sie w�rde erst geschaffen durch die Kraft unserer Gedanken. INTERNET-ADRESSEN: Global
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Quelle: Nicolai Schirawski (Juni
2002) PM-Magazin p.44 |