Die Frage, woraus unsere
Tr�ume gestrickt sind, fasziniert Menschen seit Jahrtausenden.
Auch moderne Naturwissenschaftler versuchen sich als
Traumdeuter. Sie sehen in Tr�umen aber keine
Zukunftsprognosen, sondern ein Mittel des Gehirns, aus den
Erlebnissen vergangener Tage zu lernen. Noch stehen diese
Deutungen aber auf unsicheren F��en, wie Aufs�tze in der
Fachzeitschrift "Science" zeigen.
Den modernen Traumdeutungen zufolge ordnen Tr�ume das
Ged�chtnis. Dabei purzeln schon bei den ersten Tr�umen der
Nacht, die noch sehr realistisch sind, die Erinnerungen
durcheinander. Dem Schlafenden gehen meist Bilder des
vergangenen Tages durch den Kopf. Darunter mischen sich aber
�hnliche Eindr�cke von weit zur�ckliegenden Ereignissen,
fanden Forscher um Robert Stickgold von der Harvard-Hochschule
in Boston.
Richtig bizarr werden aber erst die
Traumgebilde der so genannten REM-Schlafphasen, die vor allem in den
fr�hen Morgenstunden auftreten. �u�erlich sind diese leicht zu
erkennen: Die Augen der Schlafenden flackern wild, die Atmung
geht schnell und unregelm��ig. Die Skelettmuskeln dagegen
scheinen seltsam gel�hmt. Forscher vermuten, dass sich der
K�rper vom Gehirn abkoppelt, um die wilden Hirngespinste
w�hrend des REM-Schlafs nicht mitmachen zu m�ssen.
Das
Denkorgan ist in solchen Traumphasen v�llig enthemmt: Mit
hirnabbildenden Methoden fanden Forscher, dass das Gehirn
Kontrollinstanzen, die auf Logik achten, im Schlaf einfach
abstellt. In REM-Phasen werden zudem Gehirnareale des
"limbischen Systems", die Gef�hle hochkochen lassen, besonders
aktiv. Mit dem Gef�hls�berschwang, so vermutet Stickgold,
pr�fe das Gehirn frische Ged�chtnisinhalte und entscheide, was
der Schlafende sich merken soll.
Dass man im Schlaf
tats�chlich lernt, zeigte Stickgolds Forschungsteam k�rzlich
in einer Schlafentzugs-Studie. Probanden �bten einen Tag lang,
um die Richtung von schr�gen Balken zu erkennen, die auf einem
mit waagrechten Strichen �berzogenen Bildschirm kurz
aufblinkten. Nach dem Trainingstag wurden einige der
Studienteilnehmer in der Nacht und am n�chsten Tag
wachgehalten, durften dann aber zwei N�chte normal
durchschlafen.
So ausgeruht, setzten sich die
Probanden erneut vor den Bildschirm: Sie hatten nichts
gelernt. Es bereitete ihnen wie am ersten Tag M�he, die
Richtung der schr�gen Balken anzugeben. Probanden dagegen, die
in der ersten Nacht nach dem Training ruhig schlafen durften,
waren jetzt deutlich besser.
Auch direkt am Gehirn von
schlafenden Menschen und Tieren konnten Forscher Lernprozesse
beobachten. Besonders eindrucksvoll gelang das amerikanischen
Wissenschaftlern an Zebrafinken: Deren Jungtiere erlernen das
Singen buchst�blich im Schlaf. Tags�ber h�ren die V�gel das
Gezwitscher ihrer Eltern und versuchen selber zu singen. In
der Nacht sind sie still. Die Nervenzellen im Gehirn aber, die
den Gesang steuern, arbeiten weiter. Die V�gel tr�umen vom
Singen und merken sich dabei die Tonfolgen, vermuten die
Forscher. Sie glauben, dass der Mensch auf �hnliche Weise
seine Sprache erwirbt.
Schlafende scheinen vor allem
in den REM-Phasen zu lernen. So steigt etwa der Anteil des
REM-Schlafs bei Menschen und Tieren nach einem lernreichen
Tag. Ist aber das Neue einstudiert - etwa ein neuer
Bewegungsablauf -, nimmt der REM-Anteil des Schlafes wieder
ab. Auch "Aufweckstudien" deuten auf ein Lernen in den
REM-Phasen. Wurden Probanden immer geweckt, sobald sie in
REM-Schlaf verfielen, lernten sie kaum. Sch�ttelten die
Forscher sie dagegen erst nach den REM-Phasen aus dem Schlaf,
hatten sie keine Lerneinbu�en.
F�r den Lernprozess
setzt das Gehirn eine biochemische Maschinerie in Gang, die
die Nervenzellen neu vernetzt und so die fragilen Erinnerungen
vom Tag im Gehirn verankert. Dazu wird in REM-Phasen das Gen
mit dem K�rzel "zif-268" aktiviert, dass solche
Struktur�nderungen einleitet. Zudem setzt im Schlaf eine rege
Produktion von Eiwei�en ein, die f�r den Umbau der
Nervenstrukturen verwendet werden.
Die Deutung der
Tr�ume als Lernphasen �berzeugt jedoch nicht alle
Schlafforscher. Jerome Siegel von der Universit�t von
Kalifornien in Los Angeles f�hrt im Fachmagazin "Science"
mehrere Gegenargumente an: So haben etwa Menschen keine
Ged�chtniseinbu�en, die �ber Jahre REM-Phasen unterdr�ckende
Antidepressiva schlucken. Auch bei Patienten, die nach
Hirnsch�digungen keinen REM-Schlaf mehr haben, funktioniert
das Ged�chtnis normal.
�berhaupt scheine der
REM-Schlaf nicht besonders clever zu machen, sagt der
Forscher: Das nicht gerade f�r seine Hirnleistungen bekannte
Schnabeltier etwa schwebe jeden Tag acht Stunden in
REM-Tr�umen und damit viermal so lange wie Menschen. Und
Delphine, die ein komplexes Sozialleben haben und komplexe
Abl�ufe erlernen k�nnen, verbringen gar nur gut zehn Minuten
pro Nacht in der REM-Phase. Demnach m�sse die Behauptung, im
Schlaf bilde sich das Ged�chtnis, zumindest als nicht erwiesen
gelten, meint Siegel.
Damit sind die Menschen
weiterhin auf Traumdeuter angewiesen, um endlich einmal zu
erfahren, was sie eigentlich w�hrend eines Drittels ihres
Lebens machen.