Sie sind hier:  >> Poesie  >> Poesie 


Der Nawumba

(...)
"Das ist ein Beutel mit kleinen weichen, lieben Dingen
Wenn du magst kannst du dich da reinkuscheln und bist geschützt vor allen bösen Dingen in der Welt, da kann dir niemand was anhaben.
Wenn jemand einmal einen Nawumbasack bekommen hat, möchte er ihn nie wieder hergeben. Wenn man sich in den Nawumbasack eingewickelt hat, sieht man auch nur mehr alles Gute.
Aber der ist gar nicht neu, den gibt es schon sehr lange."

Ursprünglich kommt der Nawumba von meinem Heimatplaneten. Dort hat man viel Zeit. Zeit ist dort eine willkommenes Gut im Überfluss und man verwendet sie auch mit großem Respekt. Mein Urgroßvater hat dort einen solchen Nawumba geschnitzt. Zuweilen sagte man zu so manch handwerklicher Kunst Schnitzen, auch wenn es nicht direkt etwas mit Schnitzen zu tun hatte. Aber man mochte das Wort einfach. Mein Urgroßvater hat wunderbare Nawunbas geschnitzt und einen davon hat er mir gegeben, eines Tages, als der goldene Wärmeschatz sich noch hoch gen Himmel hob. Wir saßen damals zusammen auf der Weißholzbank und sahen in die weite Degesche, vor der unser tiefblauer Quanuk lag, in dem wir uns manchmal abkühlten, wenn der Tag sich von seiner heißeren Seite zeigte. Mein Zuhause war groß, sehr groß, aber jeder hatte eben soviel, wie er sich wünschte - denn Platz war ja mehr als genug da. Mein Planet war gütig zu den Menschen, weil die Menschen gütig und liebevoll zu ihm waren. Die Natur war ihr Freund, genauso mochte die Natur ihre ehrlichen Bewohner.
Etwas verträumt blinzelte ich seinen Rauchkunstwerken nach, die sich im Licht des angehenden Tages langsam zerstreuten, nachdem sie von seiner Berberholzpfeife in die Höhe gestiegen waren. Mein Urgroßvater - man muss wissen, dass die Menschen auf meinem Planeten viel älter geworden sind, als man es sich heute so allgemein vorstellt - sah mich mit seinen munteren Augen tief und herzvoll an und reichte mir voll Freude einen kleines Gebinde, das er aus seinem weiten Mantel zog. Mein Urgroßvater war ein einfacher Mann und machte nie viel Aufhebens; auch nicht wenn es sich um große Dinge handelte. Und zweifellos zählte dies zu den großen Augenblicken meines Lebens.
"Der ist für dich. Weißt du was das ist?"
"Nein", erwiderte ich.
"Dann will ich dir eine kleine Geschichte erzählen. Er bekam seinen Namen von den Alten, die noch die ewige, die ursprüngliche Sprache, gebrauchten. Sie nannten ihn Nawumba; heute würde man dieses Wort mit "leuchtender Federtanz" umschreiben. Die Menschen haben damals entdeckt, dass sie ihre Gefühle in bestimmte Dinge legen konnten; dass sie also etwas schaffen konnten, das gute Gefühlskräfte weitertrug und in sich große Kraft vereinte. Man übte sich in diesen Dingen und schuf so in einer Vereinigung von Geist und Handwerk wunderbare Dinge. Man konnte, wenn man genau hinsah, sogar ein feines Leuchten von diesen Gegenständen ausgehen sehen. Das wunderbarste, was man aber schuf, war dieser "leuchtende Federtanz", der Nawumba. Dies war das Meisterstück der Alten. Man kann sagen, dass sich der lodernde Ball des Wärmeschatzes selbst in ihm befand, ohne zu verbrennen, ohne zu blenden, und jeder, der ihn in der Hand hielt, spürte seine schützende Kraft in sich aufsteigen. Nur ein Mensch voll tiefgründiger Liebe konnte den Nawumba zu seiner Vollendung bringen und es begann der Brauch, dass man ihn weitergab an Menschen, die einem wichtiger waren als alles in der Welt, die man über alles liebte. Und man legte all die Liebe zu dem Menschen hinein, während man am Nawumba arbeitete, all die guten Gedanken, die man für diesen besonderen Menschen hegte. Und wenn dieser dann in all seiner Einzigartigkeit vollendet war, legte man den "leuchtenden Federtanz" seinem innig Verbundenen in die Hand, mit einem tiefen Seelenblick."

20.09.2007

Hier das Pdf zum Ausdrucken [77 KB] (LaTeX).