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Elektrisches Einrad

Ein Sattel, ein Reifen – sonst nichts
Bielefelder Ingenieure auf neuen Wegen

Einräder? Gehören in den Zirkus! Und ein sinnvolles Fortbewegungsmittel sind sie schon gar nicht. Viel zu wackelig. Doch das könnte sich mit einer Erfindung aus Bielefeld schnell ändern: Das elektrische Einrad balanciert sich selbst aus und ist ein echter Renner...

In Bielefeld wundern sich die Autofahrer recht häufig. Im Umkreis des Geländes der Fachhochschule kommt es wiederholt zur Sichtung außergewöhnlicher Fahrzeuge: Ein Sattel wie bei einem Fahrrad, ein breiter Reifen wie bei einem Formel-Eins-Boliden in Miniaturausgabe und... sonst nichts. Ein bisschen Metallgestänge und zwei Fußrasten auf beiden Seiten, das ist alles - und fahren tut es trotzdem. Darauf sitzt dann ein - ob des allgemeinen Erstaunens meist grinsender - FH-Mitarbeiter auf Testfahrt. Das puristische und ruhig auf dem Fahrradweg dahingleitende Gefährt ist tatsächlich ein Einrad. Und zwar ein elektrisches. Sobald es eingeschaltet wird, balanciert es sich automatisch aus - Umkippen unmöglich.

 

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Hightech gegen das Umkippen

Aber wie kann ein Einrad so ruhig fahren? Warum kippt es nicht um, so wie es jeder, der schon mal einen Einradartisten beobachtet hat, vermutet? Des Rätsels Lösung kennt Klaus Hofer, Professor für Elektro- und Informationstechnik an der Fachhochschule (FH) Bielefeld und Erfinder des elektrischen Einrads. "Es hat einen hochentwickelten Elektromotor und eine ausgefeilte Sensorik", erklärt er gegenüber wdr.de. Sogenannte Neigungswinkel-Sensoren registrieren permanent, in welcher Position sich das Rad gerade befindet. Kippt der Fahrer nach vorne, wird automatisch etwas mehr Schub gegeben. Kippt es nach hinten, gibt das Gerät Gegenschub. "So kommt der Schwerpunkt des Fahrers immer über der Achse zu liegen und eine stabile Fahrt ist möglich", sagt Hofer. Diese Kontrolle findet in einer sehr hohen Frequenz statt. Rund 100 Mal in der Sekunde wird die Lage gecheckt, der Motor gleicht also schneller aus, als es der Fahrer überhaupt wahrnimmt. Und auch ohne menschlichen Fahrgast bleibt das Einrad stehen, nur ein leichtes Zittern zeugt von seinem Hightech-Innenleben. Gleichzeitig ist es kinderleicht zu fahren und kommt ohne Bedienelemente aus. "Durch Gewichtsverlagerung können sie es intuitiv lenken", sagt Hofer.

High-End-Spielzeug und Indoor-Transportmittel
Aber wofür braucht der durchschnittliche Wohlstandseuropäer so ein elektrisches Einrad? Klaus Hofer zählt Möglichkeiten auf: Zum ersten in der Indoor-Anwendung, überall wo ein handliches Transportmittel gefragt und Verbrennungsmotoren fehl am Platze wären. "Etwa Flughäfen oder Messen könnten es Passagieren und Gästen zur Verfügung stellen", erklärt der Erfinder. Ein zweites (Roll-)Feld sind Werbung und PR: Das Einrad als Reklamegag. "Stellen Sie sich vor, da stellt jemand etwas großes drauf - als Blickfang. Zum Beispiel ein ganzes Auto", schwärmt der Professor.

Aber der wohl größte Markt ist für Hofer der Freizeit-Sektor: "Es muss etwas Neues kommen, nach den Kickboards und den Rollerskates." Allerdings - und das räumt er selbst ein - wäre das elektrische Einrad ein High-End-Spielzeug. Mit seinem hochwertigen Antrieb ist es nichts für jeden Geldbeutel. Ein Preis von rund 1.000 Euro wird von den Entwicklern momentan für realistisch gehalten. "Aber bis das ein Vater seinem Kind kaufen kann, muss es noch billiger werden". (Einrad in Aktion - 15 sec/ram)

 

Energiesparen war das Motiv
Powerpack: 40 Akkus geben dem Einrad Saft

40 Nickel-Cadmium-Akkus geben dem Gefährt die nötige Power, um mit rund zehn Stundenkilometern seinen Fahrer zu befördern. Die Leistungskapazität liegt bei rund 50 Wattstunden. "Das wären nicht einmal drei Tropfen Benzin", sagt Professor Hofer, "und trotzdem können sie damit 45 Minuten fahren." Energiesparen auf hohem Niveau. Das war der Anreiz zur Entwicklung des Einrads und für Hofer nur eine logische Konsequenz: "Je sparsamer ein Fahrzeug sein soll, umso leichter, langsamer und spartanischer muss es sein." Vom Elektroauto über kleine Moped-ähnliche Fahrzeuge kam er schnell auf das Einrad. "Es war einfach eine Erfindung, die in der Luft lag", so Hofer. Und tatsächlich: Nur einen Tag vor Hofer meldete ein amerikanischer Erfinder ein ähnliches Einrad in den USA zum Patent an.

Umrüstung auf Wasserstoff möglich
Die Ingenieure und Tüftler sind um ständige Verbesserung bemüht. Denkbar wäre etwa eine Umrüstung des Antriebs auf kleine Brennstoffzellen. Denn die gibt es schon in der richtigen Größe und Leistungskapazität. "Wenn der Saft ausgeht, schrauben Sie einfach eine neue Wasserstoffkartusche drauf und weiter geht's." Das sei eigentlich nur eine Frage von wenigen Jahren, schwärmt Hofer. Bis dahin steht noch eine Verbesserung der Sensorik und die Optimierung des Motors auf dem Entwicklungsplan. Und die Suche nach Investoren - gerne hätten die Bielefelder Forscher einen Industriepartner, der dem Produkt Einrad einen Schubs auf den Markt gibt. Bleibt nur noch ein Rätsel zu klären: Was ist ein elektrisches Einrad eigentlich im Sinne der Straßenverkehrsordnung?

 

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